Christliche Maguzawa

LebensumständeDie Mehrheit der im Umland der Schule lebenden Menschen gehören zur Bevölkerungsgruppe der Maguzawa, die sich heute aber vorzugsweise als „Hausa Christians“ bezeichnen. Sie sind wie die muslimischen Hausa Nachkommen der ursprünglichen Einwohner Nordnigerias und sprechen ebenfalls Hausa. Im Unterschied zu diesen haben ihre Vorfahren seit dem 17. Jahrhundert und insbesondere während der Herrschaft von Usman dan Fodio Anfang des 19. Jahrhunderts jedoch nicht die islamische Religion angenommen. Die ursprüngliche Kultur und die animistischen Rituale haben sich deshalb in dieser Bevölkerungsgruppe wohl lange Zeit am besten erhalten, was zum Beispiel an den eindrücklichen traditionellen Ganzkörpertätowierungen der älteren Frauen in Unguwar Najude abzulesen ist. Diese Menschen wurden erst sehr viel später von englischen und dann auch nigerianischen Missionaren zum Christentum bekehrt, die Bewohner von Unguwar Najude beispielsweise erst in den 1980er-Jahren. Da die Maguzawa in Nordnigeria eine Minderheit darstellen, werden ihre Interessen von der Regierung oft übergangen.


Muslimische Hausa und Fulani

In den umliegenden Dörfern der Schule leben aber auch viele muslimische Hausa, deren Kinder die Najude Pioneer School ebenso zahlreich besuchen wie die Kinder aus den überall verstreuten Siedlungen der Fulani (dt. Fulbe), einem muslimischen Hirtenvolk, das in ganz Westafrika, von Senegal bis Kamerun, anzutreffen ist. Diese beiden Bevölkerungsgruppen, unter denen traditionellerweise enge Beziehungen bestehen und die oft auch einfach als Gruppe der Hausa-Fulani zusammengefasst werden, dominieren die nördlichen Bundesstaaten Nigerias seit Jahrhunderten in wirtschaftlicher, kultureller und vor allem politischer Hinsicht.


Lebensumstände

DieLebensumstände in der Region wohnhaften Menschen leben in Subsistenzwirtschaft. Da es keinerlei maschinellen Hilfsmittel gibt, werden die Felder mit Kuhpflügen bearbeitet, während Aussaat, Jäten und Ernte in mühseliger Handarbeit erledigt werden. Aufgrund fehlender Bewässerungssysteme sind die Kleinbauern einer Dürreperiode schutzlos ausgeliefert. Zu starke Regenfälle hingegen können durch Erosion ebenfalls verheerend wirken, wobei die ganze Aussaat oder Sprösslinge mit noch schwachen Wurzeln einfach weggeschwemmt werden. Die Auswirkungen des Klimawandels werden von den Menschen hier denn auch ganz direkt wahrgenommen. Eine ungenügende Ernte kann für einige der Dorfbewohner eine existenzielle Bedrohung darstellen. In einem durchschnittlichen Jahr können sie mit dem Verkauf ihrer Produkte wie Reis, Maniok und Mais sowie Tomaten und Zwiebeln einen kleinen Gewinn erwirtschaften, der jedoch meist zum grossen Teil gleich wieder in Dünger investiert wird.

Obwohl dieser in den vergangenen Jahren stetig teurer geworden ist, muss immer mehr Dünger verwendet werden, da die ausgelaugten Böden ohne ihn nicht mehr genügend hergeben. Während die Elterngeneration der heute aktiven Kleinbauern noch vollständig ohne Dünger ausgekommen ist, hat sich so innerhalb kurzer Zeit ein veritabler Teufelskreis entwickelt. Es ist klar, dass die heutige Situation in der Landwirtschaft ohne technische Innovationen auf allen Ebenen nicht verbessert werden kann. Diese Entwicklung könnte aber dadurch begünstigt werden, dass die riesigen fruchtbaren Landflächen neben den Öl- und Gasvorkommen, die endlich sind, eine der wichtigsten Ressourcen Nigerias darstellen. Als Teil einer globalen Entwicklung wird der Stellenwert der Landwirtschaft in naher Zukunft wieder stark zunehmen, was theoretisch eine grosse Chance für ganz Nigeria darstellt, und damit auch für die Bewohner von Unguwar Najude und den umliegenden Dörfern.


Fehlende Infrastruktur

Die Einwohner von Unguwar Najude und den umliegenden Dörfern wohnen in einfachen Lehmziegelbauten mit Wellblechdächern, in denen es im Sommer (Regenzeit) drückend heiss und im Winter (Trockenzeit) aufgrund der fehlenden Isolierung sehr kalt werden kann. Das Gebiet ist nicht an das nigerianische Strassen- und Stromnetz angeschlossen, und bis zur Installation des Pumpbrunnens im Rahmen des Projektes verfügten die Bewohner von Unguwar Najude auch über keinen Zugang zu frischem Trinkwasser. In Kombination mit den fehlenden sanitären Anlagen führte dies zu häufigen Durchfallerkrankungen, welche besonders bei Kleinkindern oft tödlich verlaufen. Eine medizinische Versorgung der Bevölkerung ist nur in Ansätzen vorhanden, und auch ein funktionierendes Schulsystem gibt es nicht. Nur wenige Menschen können in ihrer Muttersprache Hausa lesen und schreiben, und vor dem Bau der Schule besass nur ein einziger Dorfbewohner rudimentäre Englischkenntnisse, obwohl Englisch die offizielle Amtssprache Nigerias ist.


Parent-teacher association (PTA)

Sehr wichtig für die lokale Verankerung des Projektes ist die „parent-teacher association“ (PTA), der an einer Schweizer Schule in etwa die Schulpflege oder in Deutschland der Elternbeirat entsprechen würde. Die dreimal jährlich (in jedem Trimester) oder ausserordentlich stattfindenden Sitzungen der PTA bieten den Eltern die Möglichkeit, aktiv auf die Entwicklung der Schule Einfluss zu nehmen und jederzeit ihre Meinungen und Ansichten zum Projekt einzubringen. Die Eltern können bei jedem grösseren Geschäft mitentscheiden und tragen deshalb auch die Verantwortung mit. Die PTA stellt das Bindeglied zwischen der Schule und der Bevölkerung dar und hat sich als unverzichtbarer Bestandteil des Projektes herausgestellt. Durch sie sind alle Eltern schnell und direkt erreichbar. Die PTA wird von den Dorfbewohnern geleitet: Als Vorsitzender der Organisation wird jeweils für drei Jahre ein Elternteil aus Unguwar Najude oder einem Nachbardorf gewählt. Auf die zahlreichen anderen Posten wie Sekretär, Schatzmeister und „public relations officer“ etc. werden Eltern aus den umliegenden Dörfern sowie Lehrer gewählt. 


Mithilfe der PTA

Die PTA stellt bei Bauarbeiten freiwillige Helfer zur Verfügung, womit Kosten gespart werden können. Diese holen z.B. Sand aus einem nahe gelegenen Flussbett (siehe Bild) oder helfen bei Reparaturarbeiten mitDurch einen Jahresbeitrag der Eltern an die PTA ist diese auch in der Lage, Spendenanlässe zu organisieren und damit teilweise die Schule mitzufinanzieren. Sie druckt zum Beispiel Kalender mit Bildern aller NPS-Mitarbeiter und organisiert Feste, an die auch lokale Politiker und Würdenträger eingeladen werden. Durch den Verkauf dieser Kalender kann ein Gewinn erzielt werden, der dann in die Schulkasse fliesst. Die PTA-Mitglieder pflanzen auch Bäume auf dem Schulareal. Ausserdem organisieren sie sich in einem Komitee, um lokale Politiker dazu zu bewegen, eine Strasse in das Gebiet bauen zu lassen, worauf auch der Anschluss an das Stromnetz folgen würden.


Dialog zwischen muslimischen und christlichen Eltern

Die regelmässig stattfindenden Treffen der PTA sind auch wichtig für den interreligiösen Dialog, da die muslimischen und christlichen Eltern innerhalb eines geordneten Rahmens über sensible Punkte diskutieren und zu konstruktiven Lösungen gelangen können. Es steht jedem Mitglied der PTA frei, bei Problemen ein Treffen einzuberufen. Die Teilnahme an den PTA-meetings ist für alle Mitglieder, Väter und Mütter, verbindlich, und bei Nichterscheinen muss eine Strafgebühr entrichtet werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass Entscheide immer von einer Mehrheit der Eltern gefällt werden und dass auch die Frauen vertreten sind.