Gemischtreligiöse Schülerschaft

Die Schülerschaft der NPS besteht mehrheitlich aus christlichen Schülern, die in den Dörfern in der näheren Umgebung der Schule leben. Viele der Schüler stammen aber auch aus den muslimischen Bevölkerungsgruppen der Hausa und Fulani, zum Beispiel die Kinder des Imams aus dem Nachbardorf Kuya (siehe Google Earth-Bilder). In den regelmässig stattfindenden PTA-meetings können die Eltern und Dorfbewohner ihr Mitspracherecht ausüben und ihre Wünsche und Vorstellungen bezüglich der Schulentwicklung einbringen. Dabei diskutieren christliche und muslimische Eltern im geordneten Rahmen jeweils auch über sensible Punkte wie den Religionsunterricht oder das Zulassen von Kopftüchern bei muslimischen Schülerinnen. Diesbezüglich hat man sich beispielsweise so geeinigt, dass in der Primarschule Kopftücher nicht erlaubt sind, die muslimischen Schülerinnen in der Sekundarstufe jedoch ein in die Schuluniform integriertes Kopftuch tragen. Diese regelmässig stattfindenden Treffen der PTA (parent-teacher association) sind somit der perfekte Ort, um gemeinsame und breit abgestützte Lösungen zu finden und auf diese Weise möglichen Konflikten vorzubeugen.


Imam Muhammad Ashafa und Pastor James Wuye

Die Najude Pioneer School fördert gezielt den Dialog zwischen den Religionsgruppen. Damit sollen gute nachbarschaftliche Beziehungen aufgebaut werden, die auch Spannungen aushalten und so Halt und Sicherheit bieten. In diesem Sinne arbeitet die Najude Pioneer School seit 2008 mit dem "Interfaith Mediation Centre" mit Sitz in Kaduna zusammen. Die Gründer dieser Organisation, Pastor James Wuye und Imam Muhammad Ashafa, werden regelmässig zu Vorträgen und Seminaren eingeladen. Diese beiden ehemaligen Todfeinde zeigen trotz ihrer schwierigen Vergangenheit (unter anderem wurde dem Pastor von Anhängern des Imams die rechte Hand abgehackt) auf beeindruckende Art und Weise auf, wie die zwei Religionen friedlich nebeneinander existieren und wie alte Wunden mit Geduld und dem schrittweisen Aufbau von gegenseitigem Vertrauen geheilt werden können. Der Dokumentarfilm „The Imam and the Pastor“ über ihre Arbeit als Mediatoren zwischen den Religionsgruppen wurde auch im Schweizer Fernsehen gezeigt. Der von tiefem Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägte Umgang der beiden Männer miteinander ist für die Lehrer, Schüler und Eltern beider Religionen jeweils ein eindrückliches und inspirierendes Erlebnis. James Wuye und Muhammad Ashafa selbst zeigen sich von der Najude Pioneer School und ihrer gemischtreligiösen Schüler- und Lehrerschaft sehr beeindruckt und stehen auch mit den Dorfbewohnern in Kontakt.


Religiös motivierte Gewalt

Rückblickend erweist es sich als sehr wertvoll, dass sich die Schule schon früh um die interreligiöse Verständigung im lokalen Rahmen bemüht hat. Im Laufe der unruhigen letzten Jahre ist die Verständigung und das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen in Nigeria nämlich nicht einfacher geworden, im Gegenteil. In den Tagen und Wochen nach den nigerianischen Präsidentschaftswahlen im April 2011 wurden im Zuge der Ausschreitungen, welche Zaria besonders schwer trafen, in den nördlichen Bundesstaaten Dutzende Kirchen und Schulen niedergebrannt. Die Lage verbesserte sich damals erst mit dauerhafter und starker Armeepräsenz und Ausgangssperren. Diese Art von Religionskonflikten kennt man in Nigeria seit Jahrzehnten.

Ein relativ neues Phänomen in Nordnigeria ist hingegen die Bedrohung durch verschiedene islamistische Terrorgruppen, die in den letzten Jahren ständig zugenommen hat. Diese verübten seit 2009 Anschläge vor allem auf Kirchen und Polizeiposten im Nordosten Nigerias, aber auch in der Landeshauptstadt Abuja und in Kaduna und Zaria. Seit es wegen dem erneuten Eingreifen der nigerianischen Armee schwieriger geworden ist, in den grossen Städten zu operieren, haben sich die Islamisten wieder in die nordöstlichen Bundesstaaten zurückgezogen und greifen dort in ländlichen Gebieten leider auch immer wieder Dörfer und insbesondere Schulen und Internate an. Seit Anfang 2014 werden trotz der grossen militärischen Offensive auch wieder Bombenattentate in Abuja durchgeführt, womöglich um die Präsidentschaftswahlen im April 2015 zu sabotieren. Insgesamt sind bereits über 10'000 Todesopfer zu beklagen, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Bis heute bleiben die exakten Ziele und Forderungen der Gruppierungen unklar. Auch die Hintergründe wie die Herkunft der finanziellen Unterstützung und mögliche Beziehungen zu nigerianischen Politikern bleiben im Dunkeln. Sicher scheint, dass Verbindungen zu anderen Terrororganisationen im Maghreb und in Ostafrika bestehen. Es darf gehofft werden, dass sich die Situation nach den Präsidentschaftswahlen 2015 wieder verbessert, falls ein muslimischer Präsident gewählt wird.


Gute nachbarschaftliche Beziehungen

Die Aktivitäten der Terrorgruppen vertiefen die Gräben zwischen den Religionsgemeinschaften weiter. Auch an den Dorfbewohnern in der Umgebung der Schule gehen die Berichte von immer neuen Angriffen und Todesopfern nicht spurlos vorbei. In solchen Zeiten ist es wichtig, dass man sich lokal auf gute und gestärkte nachbarschaftliche Beziehungen verlassen kann. Die interreligiöse Verständigung ist und bleibt aber ein sehr heikles Thema und eine grosse Herausforderung. Diese kann nur gemeistert werden, wenn von beiden Seiten eine ständige Bereitschaft zur Kooperation vorhanden ist. Da die Schüler der NPS in gemischtreligiösen Klassen unterrichtet werden, können sie schon früh Freundschaften über die Religionsgrenzen hinweg schliessen. Auf diese Weise können Vorurteile und Ressentiments gar nicht erst entstehen. Die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der lokalen Religionsgemeinschaften ist neben der schulischen Ausbildung der Schüler also aus einer Notwendigkeit heraus zur zweiten Kernaufgabe des Projektes geworden. Zentral ist dabei neben der Arbeit des Teams vom Interfaith Mediation Centre und den regelmässig stattfindenden PTA-meetings, dass neben der Schülerschaft auch das Lehrerteam gemischtreligiös ist. So werden neben den christlichen Lehrern, die häufig aus dem südlichen Nigeria stammen, immer auch muslimische Lehrer aus dem Norden in das Lehrerteam aufgenommen.